In einer Zeit, in der sich Information und Wissen so schnell wandeln wie niemals zuvor, ist Medienkompetenz auch eine entscheidende Grundlage lebensbegleitenden Lernens. Das bedeutet: Der Klassenraum kann nicht mehr der alleinige Lernort für das Leben sein. Schule muss daher einen Paradigmenwechsel in der Bildung einleiten und auf dieses lebenslange Lernen vorbereiten. Schule muss die Schüler befähigen, selbständig zu lernen und ihnen Techniken vermitteln, um mit dem technologischen Wandel fertig zu werden sowie Medien selbstbewusst und interessensorientiert zu nutzen. Wenn dies der Fall ist und Lernen zu einer Selbstverständlichkeit wird, sind wir auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur.
Neben Lesen, Schreiben und Rechnen wird inzwischen Medienkompetenz bildungspolitisch als „vierte Kulturtechnik“ angesehen. Medienkompetenz sollte sich nicht nur auf die so genannten „Neuen Medien“ beschränken, sondern muss auch die „alten“ analogen Medien mit einbeziehen, da Grundlegende Kulturtechniken, wie etwa das Lesen, auch für den sinn-vollen Umgang mit den neuen digitalen Medien notwendig ist. Außerdem darf sich Medienkompetenz nicht nur auf die Erlangung einer Handlungskompetenz von Bedienung und Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien fokussiert, sondern eine umfassende Orientierung vermitteln, um ein selbstbestimmtes und kompetentes Handeln in einer durch Medien geprägten Welt zu ermöglichen.
Die verschiedenen medienpädagogischen Strömungen im Bereich der Medienkompetenz ((Deve und Sander, Hurrelmann, Pöttinger, Aufenanger) umfassen nicht unbedingt eine einheitliche programmatische Erklärung.
Das Modell von Dieter Baacke soll hier vorgestellt werden:
In dem von Dieter Baacke publizierten „Handbuch Medien“ schreibt Baacke Medienkompetenz in einer Version, welche heute als legitim und weit verbreitet gilt:
„ Medienkompetenz kann als die Fähigkeit, Medien und die dadurch vermittelten Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend effektiv nutzen zu können“ definiert werden.
Im Wesentlichen geht es um die Fähigkeiten, die medialen gesellschaftlichen Prozesse analytisch zu durchdringen und reflexiv auf das eigene Handeln anwenden zu können, selbst innovativ sowie kreativ in der Medienwelt tätig zu werden und sich eine Orientierung in der Medienwelt aufbauen, gleichzeitig aber eine kritische Distanz zu den Medien beizubehalten.
In früheren Schriften verwendete Baacke den allgemeineren Begriff der „kommunikativen Kompetenz“ und stand dem Begriff der Medienkompetenz kritisch gegenüber, indem er kritisierte, dass der Begriff nicht aussage, was man sich unter Medienkompetenz konkret vorzustellen hat und wie man sie vermittle. Baacke sieht in der kommunikativen Kompetenz jene Fähigkeiten des Menschen, variable Verhaltensschemata zu produzieren, die sich in der Lebens- und Alltagswelt der Menschen realisiert. Menschen lernen Kommunizieren, weil sie miteinander handeln müssen, und insofern besteht Kommunikations- und Handlungskompetenz darin, dass die Menschen sich Wirklichkeit aneignen und gestaltend verändern können.
Medienkompetenz stellt so lediglich eine bestimmte Form kommunikativer Kompetenz dar, sie ist eine spezielle Teilmenge dieser und wendet sich insbesondere dem elektronisch-technischen Umgang mit Medien aller Art zu, deren Umgang gelernt, geübt und gefördert werden muss.
In Baackes „Vier-Dimensionen-Modell“ von Medienkompetenz wird deutlich gemacht, auf welche Weise sich der Begriff im Handeln, Wissen und Denken wiederspiegeln kann. Um den Umfang von Medienkompetenz darzustellen, beschreibt Baacke diese Dimensionen mit jeweils mehreren Unterdimensionen in folgender Weise:
Medienkritik
Hier wird der kritische Umgang mit Medien angesprochen. Kenntnisse über aktuelle Trends in den Medien, das Eingehen auf die Schnittstellen zwischen fachspezifischen Inhalten und Vermittlungsleistung des jeweiligen Mediums setzen Jugendliche in die Lage, Medienwelten zu beurteilen und bringt einen merklichen Zuwachs nicht nur an Medienkompetenz, sondern auch an fachimmanentem Ertrag mit sich. Die Erkenntnis, dass auch speziell für den Unterricht konzipierte audio-visuelle Medien nicht immer objektiv sein können, bringt den Glauben an die Richtigkeit und Wahrheit anderer Medien ins Wanken. Damit ist Medienkritik ein wesentlicher Baustein gegen die Beliebigkeit.
Diese Medienkritik muss in dreifacher Weise gesehen werden:
- analytisch: Problematisch gesellschaftliche Prozesse in der Medienlandschaft sollten angemessen erkannt und erfasst werden;
- reflexiv: das analytische und sonstiges Wissen sollte jeder Mensch auf sich selbst und sein persönliches Handeln anwenden können;
- ethisch: ist die Dimension, die eigenes Denken und Handeln sozial-verantwortlich ausrichtet.
Medienkunde
Diese befasst sich mit dem Umgang und Wissen über heutige Medien und Mediensysteme sowie deren Struktur und Entstehung. Baacke unterscheidet auch hier zwischen zwei Unterdimensionen:
instrumentell-qualifikatorische Dimension: gibt Auskunft über die Fähigkeit, die neuen Geräte bedienen zu können. Dies könnte zum Beispiel das Sich-Einarbeiten in
die Handhabung einer Computer-Software, der Umgang mit Computerprogrammen, das Sich-Einloggen-Können in Netze oder die Bedienung eines Videorecorders beinhalten;
informative Dimension: diese Dimension umfasst klassische Wissensbestände. Dazu kann man beispielsweise Vertreter von medienspezifischen Inhalten zählen, Spezialkenntnisse einzelner Medien oder Fragen zu den Strukturen des Mediensystems. Typische Inhalte zum Beispiel sind Fragen wie „Wie kann ich einen Computer für meine Zwecke effektiv nutzen?“ oder „Nach welchen Grundsätzen wähle ich meine Programmvorlieben aus?“
Mediennutzung
Die Dimension der Mediennutzung beschäftigt sich sehr prägnant damit, welche Medien konkret genutzt werden und welche Qualität diese Nutzung aufweist. Baacke bezieht sich innerhalb der Mediennutzung auf zwei Aspekte:
rezeptiv-anwendende Dimension: verweist im speziellen darauf, welche Programm – Nutzungsgewohnheiten bestehen, die Auskunft darüber geben sollen, inwieweit die Fähigkeit gegeben ist, das Geschehene aufzuarbeiten und in den Bildungs- und Bilderstand zu integrieren. Medien aller Art können nicht nur zu Informationsgewinnung und Wissenserwerb dienen, sondern werden ebenso für die Entspannung und zur Unterhaltung genutzt;
interaktiv-anbietende Dimension: durch die ständige Weiterentwicklung stehen immer mehr interaktive Medien zur Verfügung. Daher wird diese Dimension als Bereich des auffordernden Anbietens und des interaktiven Handelns innerhalb der Medienkompetenz immer wichtiger.
Tauschbörsen im Internet, Telebanking, Teleshopping sind zahlreiche Möglichkeiten der Mediennutzung, die eine interaktive Handlungskompetenz des Rezipienten er-fordern.
Mediengestaltung
Hiermit ist gemeint, dass Medien sich nicht nur in technischer, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht fortlaufend verändern. Auch diese Dimension lässt sich in zwei Unterdimensionen einteilen:
innovative Mediengestaltung: welche sich auf die Veränderungen und Weiterentwicklungen im Rahmen eines bestimmten Mediensystems beziehen;
kreative Mediengestaltung: betont ästhetische Gestaltungen und Veränderungen, die über die Grenzen des jeweiligen Mediensystems hinausgehen.
Die dargestellten und miteinander in Verbindung stehenden Dimensionen zeigen deutlich, dass sich eine kompetente Nutzung der Medien nicht nur auf ein Teilgebiet von Kenntnissen bezieht. Da nach Baacke die Medienkompetenz über einen Prozess, der in Projekten umzusetzen ist, erlangt wird, das bedeutet, dass sich Auszubildende im Prozess der Mediennutzung die Medienkompetenz unter Anleitung von pädagogischen Fachkräften aneignen sollen.
Förderung der Medienkompetenz durch aktive Medienarbeit
Die Geschwindigkeit der Wissensvermehrung, die Dynamik der Technik, Wirtschaft und Gesellschaft nehmen heute ein Ausmaß an, das zwangsläufig zu einer wachsenden Zahl an Projekten führt. Innovative Problemstellungen werden sowohl häufiger als auch anspruchsvoller. Entsprechend wichtig ist es für die Auszubildenden, bereits früh mit den Methoden und Vorgangsweisen umgehen zu lernen. Geeignete Projekte für den Projektunterricht lassen sich einfach finden. Ich werde im Anschluss Projekte aus der Schulpraxis vorstellen, bei denen die Arbeit an einem gemeinsamen Thema nicht nur die Vermittlung von technischen Wissen, sondern vor allem Teambildung, Erwerb von sozialer Kompetenz, kritischer Mediennutzung und die Entwicklung einer Teamkultur ermöglichte. Diese außerfachlichen Qualifikationen, wie sie die rasant entwickelnde Technologien verlangen, werden auch als Schlüsselqualifikationen bezeichnet. Um diese Schlüsselqualifikationen vermitteln zu können, muss die Berufsschule neue Wege gehen. Für diese Umsetzung ist die Projektmethode am besten geeignet, da viele Lernbereiche ganzheitlich angesprochen und erlebt werden.
Meine langjährigen Erfahrungen als pädagogischer Leiter der Berufsschule Mattersburg haben gezeigt, dass die Form des projektorientierten Lernens (vor allem bei den bildungsbenachteiligten Lehrlingen) die Möglichkeit bietet, ihre Interessen und Kompetenzen in den Unterricht einzubringen. Als hilfreich hat sich erwiesen, ihnen besondere Aufgaben, spezielle Interessens-schwerpunkte, die Verantwortung für einen Projektbericht etc. anzubieten, um so auch die dynamischen Fähigkeiten zu fördern.
Als Beispiele für das Potential von Medienprojekten wären die Planung und Gestaltung eines eigenen Films, ein Audiobeitrag, Gestaltung einer Homepage, Erstellen einer Schulzeitung, CD-Herstellung, Videoclips, Pod- und Vodcasts, Erarbeitung einer Moderation, Theateraufführungen etc. zu erwähnen (siehe Projekte)
Die Methode der aktiven Medienarbeit bietet aber noch weitere Erfahrungs- und Lernfelder.
Fred Schell beschreibt die Bandbreite der möglichen Lernerfahrung folgendermaßen:
„die Planung und Realisierung eines Medienprodukts zwingt dazu, intensiv in die
Lutz, 2015, S.2
gewählte Thematik einzusteigen und sich tiefgehend mit den eigenen Erfahrungen,
Einstellungen, Werthaltungen und Normen zu befassen“.
Fred Schell betrachtet die aktive Medienarbeit als eine Methode der handlungsorientierten Medienpädagogik in der Jugendarbeit, die bei der Aneignung und Verarbeitung sozialer Realität durch Jugendliche einen besonderen Stellenwert einnimmt. Das pädagogische Potential der aktiven Medienarbeit ist äußerst vielfältig (Schell, 1993, S. 230 ff):
o aktive Medienarbeit ermöglicht es den Jugendlichen, sich handelnd mit Gegenständen ihrer Lebenswelt auseinanderzusetzen,
o aktive Medienarbeit erfordert Interaktion und kommunikative Kompetenz,
o aktive Medienarbeit unterstützt Jugendliche bei der selbsttätigen Aneignung und Verbreitung ihrer Lebenswelt,
o aktive Medienarbeit ermöglicht ein hohes Maß an Schüleraktivität,
o aktive Medienarbeit vermittelt den Schülern neben den erforderlichen Fachkompetenzen Handlungs- und Sozialkompetenz,
o aktive Medienarbeit fördert kommunikative Prozesse. Eine Veröffentlichung ihrer Produkte fördert einen gesellschaftlichen Auseinandersetzungsprozess,
o aktive Medienarbeit regt Jugendliche zu Kreativität und Phantasie an,
o aktive Medienarbeit wirkt dem verbreitenden passiven Medienkonsum durch eine aktive Auseinandersetzung mit Medien entgegen.